Woher kommt mein T-Shirt? Doch nicht etwa aus Kinderarbeit? Nicht nur Verbraucher stellen sich solche Fragen. Auch Unternehmen achten darauf, unter welchen Bedingungen die eingesetzten Rohstoffe und Bauteile hergestellt wurden. Über 120 Teilnehmer aus der Wirtschaftswelt informierten sich beim ersten A³ Nachhaltigkeitstag am 24.10.2017 ausführlich über die Möglichkeiten, Lieferketten nachhaltiger zu gestalten. Die Stadt Augsburg und die Regio Augsburg Wirtschaft GmbH hatten gemeinsam hochkarätige Experten und Vertreter von Unternehmen ins Kurhaus im Parktheater Göggingen eingeladen, um mögliche Wege zu diskutieren und in Workshops konkrete Lösungsansätze zu erarbeiten.
„Lieferketten – ein komplexes Gebilde, für Außenstehende in der Regel nicht zu durchschauen und auch für viele Mitarbeiter in Betrieben oft schwer nach zu vollziehen. Das haben wir bereits bei der Vorbereitung auf diesen Abend gemerkt“, beginnt Augsburgs 2. Bürgermeisterin Eva Weber ihre Begrüßungsrede und bringt damit die Komplexität der Thematik direkt auf den Punkt.
Von der Baumwolle bis zum T-Shirt ist es ein weiter Weg. Sicherzustellen, dass es dabei in allen Schritten nachhaltig zugeht und Menschenrechte beachtet werden, ist für Unternehmen eine große Herausforderung. Die meisten Textilmarken erhalten ihre Ware genäht und verpackt von ihren direkten Zulieferern und wissen deswegen in der Regel nicht, was in den vorangegangenen Schritten beim Färben, der Stoffherstellung, der Garnproduktion oder dem Baumwollanbau vorgeht. Gleichzeitig wächst jedoch der Druck auf die Unternehmen, die Nachhaltigkeit ihrer Produktionsprozesse und Produktinhaltsstoffe zu garantieren. Bilder von arbeitenden Kindern bei der Herstellung der Vorprodukte des eigenen Produkts? Umweltschadstoffe im Endprodukt? Die damit verbundenen rechtlichen Folgen und drohende Imageschäden will kein Unternehmen riskieren. Zumal ein lokaler Unfall heute durch die digitalen Medien schnell weltweit bekannt werden und jahrelang im Internet kursieren kann. Nach neuen Gesetzesvorgaben müssen seit diesem Jahr alle Unternehmen öffentlichen Interesses mit mehr als 500 Mitarbeitern einen Bericht zur Corporate Social Responsibilty (CSR) vorlegen. Aber auch die Unternehmen selbst erhöhen den Druck, indem sie ihren Zulieferern in Kaufverträgen eine Garantie über die Nachhaltigkeit und die soziale Verantwortung in ihren Lieferketten abverlangen. Hochkarätige Redner aus Wirtschaft und NGO berichten zu nachhaltigen Lieferketten Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor vom Deutschen Institut für Menschenrechte zeigte eindrucksvoll, wie stark sich der grenzüberschreitende Warenhandel in den letzten Jahren entwickelt hat. Entsprechend müssen Unternehmen eine Vielzahl von Themen hier berücksichtigen, unter anderem die verschiedenen Produktionsbedingungen und Produktionsqualitäten. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte geben einen Rahmen zur staatlichen Umsetzung. Aber wie gehen Firmen Themen wie die Einhaltung von Menschenrechten innerhalb der Lieferkette in der Praxis an? Unternehmen wie Bosch haben allein in der ersten Einkaufsstufe 200.000 Zulieferer. Obwohl Bosch selbst 100 intensive Audits jährlich durch eigene Mitarbeiter bei Zulieferern durchführt, können auch auf lange Sicht nicht alle Zulieferer auf diese Weise geprüft werden.
„Wir haben zunächst die Zulieferer priorisiert und versuchen diese in der Zusammenarbeit gezielt weiter zu qualifizieren. Außerdem schulen wir unsere Einkäufer und nutzen in den Ländern vor Ort eigene Auditoren“, erläuterte Bernhard Schwager, Leiter der Geschäftsstelle Nachhaltigkeit von Bosch, die umfangreichen Aktivitäten des Unternehmens. „Für Mittelständler fast unmöglich zu realisieren“, schätzt Andreas Gundel von SII Systems GmbH. Das Unternehmen liefert Systeme seit kurzem in die gesamte Welt und muss sich noch auf die unterschiedlichen Gepflogenheiten in den verschiedenen Ländern einstellen. Aber Gundel zeigt sich auch optimistisch: „Letzten Endes sind wir alle Menschen, der Dialog muss jedoch gesucht werden.“ Dies ist auch dem Geschäftsführer der Tatonka GmbH Andreas Schechinger bewusst. Er hat sich dazu entschieden, nach dem Open Factory Prinzip seinen Kunden zu zeigen, dass das Unternehmen sich in Sachen Nachhaltigkeit und Arbeitssicherheit engagiert. Dabei kann einmal pro Woche jeder, der Interesse an dem Familienunternehmen und seiner Produktion in Vietnam hat, an einer Führung durch die Produktionsstätte vor Ort teilnehmen.
Bei Unternehmen aus der Textilbranche wie Tatonka stellt der Moderator der Podiumsdiskussion Prof. Dr. Dr. Alexander Brink fest, haben die meisten vor Augen, wo die Probleme in Sachen Nachhaltigkeit liegen, doch wie gehen Firmen mit diesem Thema um, die Produkte herstellen, die nicht dem alltäglichen Gebrauch dienen? Der Supply Chain Manager von MT Aerospace Jean-François Castex hat durch das Luftfahrt-Bundesamt strikte Vorgaben bei seinem Einkauf, da auch nur zertifiziert sichere Teile für die Verarbeitung in der Luft- und Raumfahrt verwendet werden dürfen. Dadurch müssen seine Lieferanten diese vorgegebenen Standards erfüllen, aber auch er stellt fest, dass das Unternehmen bei der Rohstoff-Beschaffung am kürzeren Hebel sitzt. Die Möglichkeiten und den Auftrag seitens Unternehmen sieht Castex viel mehr in der Befähigung und Unterstützung von Partnern, ein höheres Technologie- und Sicherheitsniveau zu erreichen.
Workshops am Nachmittag boten Hilfestellungen zu konkreten Themen an Dennoch haben Unternehmen viele Möglichkeiten, ihre Nachhaltigkeit zu verbessern: In mehreren Workshops erhielten die Unternehmen konkrete Hilfestellungen, wie sie das Thema angehen können: Mit Unterstützung von Experten der internationalen Politik- und Unternehmensberatungen adelphi und sustainable, arbeiteten sich die Teilnehmer in einem Workshop an konkreten Beispielen in die Methodik des nachhaltigen Lieferkettenmanagements ein. Die Experten Daniel Weiss (adelphi) und Dr. Albert Baur (sustainable) stellten den Unternehmen für ihre betriebliche Praxis außerdem einen konkreten Praxisleitfaden und einen Umweltatlas Lieferketten für acht ausgewählte Branchen zur Verfügung. Eine weitere Möglichkeit für Unternehmen bietet der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK), den Tabea Siebertz vom Rat für Nachhaltige Entwicklung in ihrem Workshop vorstellte. Der DNK soll Firmen aufzeigen, wie sie selbst mit der Thematik der Nachhaltigkeit umgehen können und soll durch vorgegebene Kriterien eine Vergleichbarkeit für den Leser schaffen. Die Datenbank des DNK ist für jeden zugänglich, außerdem kann der DNK auch von CSR-Berichtspflichtigen genutzt werden. Dr. Christian Geßner vom Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung der Universität Witten/Herdecke zeigte in seinem Workshop, wie Unternehmen in einem Selbst-Check sehen können, wo sie selbst in Sachen Nachhaltigkeit stehen und wie sich Nachhaltigkeit und verantwortungsvolles Wirtschaften in ihrer Lieferkette abbilden lässt. Im Vordergrund stehen neben der eigenen Einschätzung vor allem der Austausch und die Diskussion mit den anderen Teilnehmern über Möglichkeiten und Machbarkeit.
„Die Veranstaltung zeigt, dass sich immer mehr Unternehmen aus der Region für dieses Thema interessieren und engagieren, aber wir müssen weitermachen“, mit diesen Schlussworten beendete der Referent für Umwelt, Nachhaltigkeit und Migration der Stadt Augsburg Reiner Erben den offiziellen Teil des gelungenen Abends. Er verdeutlichte, dass bereits viel in der Region rund um das Thema Nachhaltigkeit passiert, es aber immer eine Aufgabe bleiben wird, an der stetig weitergearbeitet werden muss.
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