Region: Augsburg Stadt

Fall Merkle: Fünf Parteien werfen der Stadtspitze in gemeinsamer Erklärung Ablenkungsmanöver vor

Die Kritik der Parteien richtet sich weniger gegen Baureferent Gerd Merkle als an die Stadtspitze.

In der Diskussion über die Überstunden von Gerd Merkle (CSU) legen die Stadtratsfraktionen am Donnerstag mit weiterer Kritik nach. Die "Bürgerliche Mitte", aus Freien Wählern, FDP und Pro Augsburg, und die "Soziale Fraktion", aus SPD und Linken, äußern sich in einer gemeinsamen Erklärung. Der Augsburger Baureferent Merkle fordert, 200.000 Euro für Überstunden aus der Zeit zwischen 1994 und 2008 ausbezahlt zu bekommen. Dass Merkle über 4500 Überstunden ansammeln konnte und sie vor seinem Wechsel vom Angestellten zum kommunalen Wahlbeamten nicht abbaute, empört die Kritiker.

Die Debatte sei für die Fraktionen nach der Erklärung von Oberbürgermeisterin Eva Weber nicht beendet, im Gegenteil, so betonen die "Bürgerliche Mitte" und die "Soziale Fraktion". Weber hatte Merkle in einer Stellungnahme in Schutz genommen und den Fokus auf all jene Mitarbeiter der Stadtverwaltung gelegt, die ohne Überstunden die vielen Herausforderungen der Stadt nicht bewältigen könnten. Wie die "Bürgerliche Mitte" erklärt, weise man "die Aussage Webers zurück, die Diskussion der pikanten Details in der Öffentlichkeit seien ein Schlag ins Gesicht aller Beschäftigten der Stadt".

Eva Weber lenke von den entscheidenden Fragen ab

Es habe bei OB Weber Methode, Kritik der Opposition an der Stadtregierung zu Angriffen auf die Mitarbeiter der Verwaltung umzudeuten. Dies sei ein "durchsichtiger Versuch", davon abzulenken, wie ein Beschäftigter der Stadt Tausende Überstunden anhäufen und sich diese teilweise 20 Jahre später auszahlen lassen könne und wer die Verantwortung dafür trage. "Diese Fragen zu stellen, ist kein Angriff auf fleißige Beschäftigte, die zur Eindämmung der Corona-Pandemie und zur Versorgung von Ukraine-Flüchtlingen Herausragendes leisten. Es ist nicht einmal ein Angriff auf Baureferent Merkle", so die Fraktionen.

„Diese Fragen zu stellen, ist für uns als Opposition eine Pflicht, um sicherzustellen, dass die Stadt Augsburg als Dienstherrin ihrer Fürsorgepflicht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachkommt und verantwortlich mit Steuergeldern umgeht", wird SPD-Fraktionsvorsitzender Florian Freund in der Erklärung zitiert.

FDP fordert: Dienstvereinbarungen veröffentlichen

Die FDP hat am Donnerstag darüber hinaus noch eine eigene Stellungnahme veröffentlicht. Unklar sei, heißt es darin, warum die Einführung von Langzeitarbeitszeitkonten im Jahre 2011 durch eine vom damaligen OB Kurt Gribl unterzeichnete Dienstvereinbarung zum Erhalt von Überstunden führen soll, die bis ins Jahr 1994 zurückreichen.

Der städtische Personalreferent Frank Pintsch hatte zuletzt auf zwei Dienstvereinbarungen verwiesen, auf denen die Überstundenregelungen basieren sollen, die Merkles Forderungen ermöglichen. Eine stammt von SPD-Oberbürgermeister Paul Wengert, die andere ist eben jene von CSU-Oberbürgermeister Kurt Gribl.

Die Stadt und Eva Weber hatten in ihrer Erklärung am Montag lediglich auf die Dienstvereinbarung aus dem Jahr 2004 unter dem damaligen SPD-OB Wengert verwiesen. Das Weglassen von Webers Vorgänger Gribl bezeichnet die FDP als "schlechten Stil".

Laut FDP bleibe ferner im Dunklen, "wie sich im Jahre 2022 ein Anspruch auf Bezahlung von Überstunden aus einem Arbeitsverhältnis ergeben soll, das aus rechtlicher Sicht schon 2008 – also vor Einführung der Langzeitarbeitszeitkonten – beendet wurde".

Alexander Meyer, der im Vorstand der FDP Augsburg für Rechtsfragen zuständig ist, betont: „Diese Fragen muss die Stadt Augsburg dringend klären." Meyer, der zudem Fachanwalt für Arbeitsrecht ist, findet, dass angesichts der pikanten Ausgangslage es das "Minimum an professioneller Krisenkommunikation" wäre, "die Dienstvereinbarungen, aus denen sich die Ansprüche von Herrn Merkle ableiten lassen sollen, im Internet zu veröffentlichen". Ansonsten setze sich die Stadtregierung dem Verdacht aus, "dass hier auf höchster Ebene individuelle Regelungen getroffen wurden, die so für andere Mitarbeiter, die auch hart arbeiten, nicht gelten würden". (jaf)

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