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FC Augsburg schlägt Hamburger SV mit 4:0: Stoff für Legenden

Der FC Augsburg besiegt den Hamburger SV. Der zuvor zum Finale ausgerufene Abstiegsknaller endet in einem 4:0-Erfolg für den FCA, der bei einem Klassenerhalt einen festen Platz in der Klubhistorie einnehmen wird. Auch die Partie selbst schreibt zahlreiche kleine und große Geschichten - von Altintop über Schmid bis hin zu Callsen-Bracker. Doch bei aller Euphorie über die wohl beste Saisonleistung des FCA: Es sind noch drei Partien zu gehen. Doch es wirkt so, als habe sich der FC Augsburg im richtigen Moment freigespielt.

Es läuft die 28. Spielminute der Begegnung des FC Augsburg mit dem Hamburger SV. In diese Minute fällt ein Moment, der die gesamten 90 Minuten Spielzeit widerspiegelt. Ein Zweikampf, der stellvertretend für eine ganze Bundesligapartie stehen wird.

Der Hamburger Matthias Ostrzolek und der Augsburger Jonathan Schmid hetzen dem Ball hinterher. Jener Schmid, der eines der Gesichter der Zukunft des FC Augsburg werden sollte, nur irgendwie nie wirklich angekommen ist in Augsburg.

Dieser Schmid wuchtet seinen Körper in das Duell. Ostrzolek - ein Gesicht der Vergangenheit des FCA - schafft es nicht, dagegenzuhalten, fällt und muss hilflos mit ansehen, wie Schmid den Ball in den Rückraum des Hamburger Strafraums passt. Dort wartet Halil Altintop, der den Ball präzise ins linke Eck des Tores schiebt.

Augsburger Arena ganz in Weiß

Es war das 1:0 des FC Augsburg - und es war überfällig. Denn, wie gesagt, dieser Zweikampf in Minute 28 beinhaltete all das, was an diesem Sonntagnachmittag das Geschehen auf dem Rasen dieser Arena prägte.

Weiße T-Shirts mit der Aufschrift "Augsburg hält zusammen" hatte der FC Augsburg an diejenigen unter den 30.660 Zusehern verteilt, die es mit dem FCA halten. Derselbe Spruch prangte auf den Trikots der Mannschaft.

FC Augsburg füllt Abstiegskampf-Motto mit Leben

Und die brachte das Abstiegskampf-Motto auf den Platz, füllte die Ansage mit Leben. Und das nicht nur, indem sie noch kurz vor dem Anpfiff geschlossen in Richtung der Nordkurve applaudierte. Vielmehr weil sie Zweikämpfe suchte, lauffreudig agierte, mit Tempo nachrückte, sehenswerte Spielzüge vortrug und emsig die sogenannten zweiten Bälle eroberte.

Lediglich 48 Prozent gewonnene direkte Duelle wies die Statistik hernach für den FC Augsburg aus. Aber Hamburgs Trainer Markus Gisdol war nicht der Einzige in der Arena, der gefühlte 60 Prozent ausgemacht hatte. Denn Hamburgs mit Abstand bester Mann auf dem Platz stand im Tor: Tom Mickel - und das wohlgemerkt bei einer 0:4-Niederlage.

FCA-Trainer Baum: "Kleine Dinge angegangen"

So erschreckend der Auftritt des HSV, so erstaunlich erfrischend die Leistung der Augsburger. Viele kleine Dinge sei man angegangen, erläuterte später FCA-Trainer Manuel Baum, der auf eine Viererkette mit den Innenverteidigern Jeffrey Gouweleeuw und Martin Hintereeger gesetzt und den quirligen Konstantinous Stafylidis zurück in die Startelf beordert hatte. "Dinge", präzisierte Baum, "die jedem Einzelnen Sicherheit geben".

Aus diesen Nuancen entsprang angetrieben durch die Willenskraft der Mannschaft und die Atmosphäre in der Arena eine Augsburger Darbietung, die - so der FCA die Klasse hält - das Zeug zu einer Abstiegskampflegende in der Geschichte des FC Augsburg liefert.

Und dafür symptomatisch standen eben jene 28. Minute - und eben auch Jonathan Schmid. Einen Willen, wie den, den der Neuzugang in den Zweikampf legte, kannte man aus seinen Freiburger Tagen. Doch irgendwie wirkte dieser dem fremdelnden Zukauf abhanden gekommen. Das sorgte dafür, dass manch einer dachte, Schmid habe seinen wenig begabten Zwillingsbruder nach Augsburg geschickt.

Schmid wie ausgetauscht - Achse der Augsburger Nervensägen

Doch dieser 31.-Spieltag-Schmid erweckte nicht nur ob seines Assists für Altintop einen wie ausgetauschten Eindruck.

Er arbeitete sich auf seiner rechten Seite auf, bildete in der ersten Hälfte gemeinsam mit dem nimmermüden Dominik Kohr und dem immerdraufgehenden Alfred Finnbogason eine Achse der Nervensägen. Wodurch der HSV im Aufbauspiel selten einen vernünftigen öffnenden Ball zustande brachte.

Altintop: Zu alt, zu langsam - und doch herausragend

Dahinter agierte Halil Altintop. Jener von vielen für zu alt und zu langsam befundene Deutsch-Türke. Freilich verjüngte der 34-Jährige - in Fußballerjahren gerechnet, zählt man da bereits zu den Greisen - auch an diesem Sonntag in der Arena an der B17 nicht. Und er fiel auch nicht plötzlich durch Sprints durch die Hamburger Defensivreihen auf.

Aber Altintop tat eben das herausragend gut, weswegen er für den FC Augsburg in seinen besten Zeiten wichtig war: Er steuerte das Tempo im Umschaltspiel, stieg mal auf den Ball oder versuchte den feinen Vertikalpass. Ganz nebenbei gelangen dem Baldrentner noch zwei Tore - das andere aufgelegt von noch so einem Oftkritisierten, der ein Riesenspiel machte: Philipp Max.

Reuter: "Wollen Halil noch lange in Augsburg haben"

Das mit Altintops Ruhestand jedenfalls wird wohl noch dauern. "Klar reden wir mit Halil", ließ Augsburgs Sportchef Stefan Reuter gefragt nach der sich hinziehenden Vertragsverlängerung wissen, als er am späten Sonntagabend den Innenraum der Arena verließ und schob hinterher: "Wir wollen Halil noch lange in Augsburg haben."

Und da spricht er wohl auch für die Arena, die Altintop mit stehenden Ovationen und Halil-Rufen in den Feierabend verabschiedete.

Mit dieser Entschlossenheit hält der FC Augsburg die Klasse

Dieser 30. April heilte eben viele Wunden, versöhnte für die Wochen der Grausamkeiten, die in der Heimniederlage gegen Ingolstadt ihren traurigen Höhepunkt fanden. Freilich: Der ersatzgeschwächte Hamburger SV präsentierte sich in einer fatalen Verfassung.

Aber die Einstellung, die der Baum-Elf innewohnte, dieser unbedingte Wille, die Opferbereitschaft: All das war nach den erneut größtenteils trostlosen Minuten in Frankfurt nicht selbstverständlich. Strahlt die Mannschaft weiter diese Entschlossenheit aus, wird sie den Abstieg verhindern. Sei es direkt oder in einer möglichen Relegation.

4:0 gegen den Hamburger SV: Erstmal nur ein Spiel gewonnen

An diesem Sonntagabend ist eben erst einmal nur ein Spiel gewonnen. Doch nun hat der FC Augsburg drei Mannschaften hinter sich gelassen, die teils noch gegeneinander antreten müssen. Und vor allem: Ingolstadt auf dem direkten Abstiegsplatz liegt jetzt sechs Punkte hinter Augsburg.

Bewegender Moment: Stehende Ovationen für Jan-Ingwer Callsen-Bracker

Das zudem personell wieder breiter aufgestellt ist. Und hierzu passt die vielleicht bewegendste Geschichte des 31. Spieltags: Augenblicke vor dem Ende erhob sich die Arena erneut. Selbst die Spieler auf dem Platz hielten inne und applaudierten. Jan-Ingwer Callsen-Bracker kehrte 15 Monate nach dem üblen Foul von Belgrad auf den Bundesligarasen zurück.

Der Innenverteidiger mit dem schönsten doppelten Doppelnamen der Bundesligageschichte wurde selbst beim Auslaufen noch gefeiert, trug in der Interviewzone ein Dauergrinsen im Gesicht. Er fühle sich fit, er fühle sich gut, er sei bereit, sagte er, ehe er begann, die Welt verbal zu umarmen und eine Dankesrede an all seine Unterstützer während der langen Leidenszeit zu richten.

Callsen-Bracker: Noch immer Nummer eins des FC Augsburg

Dabei hatte auch er selbst versucht, der Mannschaft zu helfen: "Ich denke, ich war als positiver Typ in der schwierigen Phase ein Vorbild", sagte er. Vorreiter ist er auch weiterhin in der mannschaftsinternen Tischtennisrangliste. "Die Kollegen haben meine Abwesenheit nicht genutzt", analysierte Callsen-Bracker. Dann grinste er und stapfte in Richtung Kabine.

Auch das stand für etwas, was an diesem Frühlingstag in Augsburg vom Rasen hinauf auf die in weiß leuchtenden Ränge strahlte. Beim FC Augsburg ist bei aller Anspannung ein Stück Lockerheit zurück; das Selbstvertrauen und die Lust am Fußball - und der Glaube an die eigene Stärke. Der FC Augsburg, so wirkt es, hat sich freigespielt. Und dafür ist es wahrlich ein guter Zeitpunkt.

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