Einerseits steht Luthers Reformation im Kontext der Revolutionierung der gesellschaftlichen Welt während der Renaissance: der Revolutionen in der Ökonomie (Kaufmanns-Kapitalismus), der Bildenden Kunst, der Philosophie, der Naturwissenschaften (Copernicus). Überall wird der utopische Anspruch erhoben: Der Mensch könne in der Seele zu Gottes Ebenbild aufsteigen, Gottes Schöpfung erkennen und sich selbst sowie seine Welt selbst erschaffen. Luther übersetzt dieses Dogma in die Lehre von den zwei Reichen: in der Innerlichkeit der Seele sei der Christenmensch frei, in der Äußerlichkeit des Leibes habe der Christenmensch der weltlichen Obrigkeit zu gehorchen - oder dürfe Widerstand nur durch das Wort Gottes leisten. Andererseits fordert Luther, durch die christliche Zwei-Reiche-Lehre, zur Gewalt gegen alle auf, die - wie die aufständischen Bauern - das Reich der Freiheit mit physischer Gewalt bereits im Diesseits zu verwirklichen suchen. Vor allem ruft Luther zum Pogrom gegen jene auf, die diese Lehre nicht zu teilen vermögen, weil sie den Satz des Johannes-Evangeliums ablehnen: dass der Weg zu Gott durch Jesus vermittelt ist, dass also das ersehnte "Reich" der Versöhnung "von dieser Welt ist". Luthers Judenhass ist das Gegenbild seiner christlichen Freiheitslehre.
Prof. Dr. Gerhard Stapelfeldt lehrte von 1979 bis 2009 am Institut für Soziologie der Universität Hamburg. Seitdem arbeitet er als freier Schriftsteller in Hamburg.
Der Eintritt ist frei.
Vortrag: Luthers Reformation: Freiheit und Judenhass
Sonntag, 30. Juli 2017 - 19:30
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